Aufgrund der von der Regierung, zur Bewältigung der aktuellen sanitären Notlage hinsichtlich der „Corona-Krise“, erlassenen Bestimmungen haben sich letzthin einige Fragen/Unsicherheiten ergeben, auf die hier anschließend versucht werden soll, eine entsprechende Antwort zu geben.
Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, deren Erfüllung durch die erlassenen Maßnahmen unmöglich geworden ist
Art. 1218 des Zivilgesetzbuches (ZGB) bestimmt hierzu wie folgt: „Der Schuldner, der die geschuldete Leistung nicht gehörig erbringt, ist zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er nicht beweist, dass die Nichterfüllung oder die Verspätung durch Unmöglichkeit der Leistung verursacht worden ist, die auf einen von ihm nicht zu vertretenden Grund zurückgeht“, Art. 1256 des ZGB hingegen bestimmt: „Die Verbindlichkeit erlischt, wenn aus einem vom Schuldner nicht zu vertretenden Grund die Leistung unmöglich wird. Ist die Unmöglichkeit nur vorübergehend, so haftet der Schuldner, solange sie besteht, nicht für die verspätete Erfüllung. Die Verbindlichkeit erlischt jedoch, wenn die Unmöglichkeit solange andauert, dass mit Rücksicht auf den Rechtstitel der Verbindlichkeit oder auf die Art des Gegenstands der Schuldner nicht mehr als zur Vornahme der Leistung verpflichtet angesehen werden kann oder der Gläubiger kein Interesse mehr hat, sie zu erhalten.“
Falls nun die eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen aufgrund der kürzlich von der Regierung erlassenen Dekrete nicht mehr erfüllt werden können, ist dies als nachherige Unmöglichkeit der Erbringung der Leistung einzustufen und die Verbindlichkeit erlischt somit.
Aufgrund des Erlöschens der Verbindlichkeit sind die jeweiligen Vertragsparteien somit von der Pflicht zur Erbringung der jeweiligen eigenen Leistung befreit. Falls diese bereits getätigt worden ist, z.B. eine Anzahlung auf einen Kaufpreis, so hat die Vertragspartei Anrecht auf Rückerstattung.
Falls die Leistung lediglich momentan nicht möglich ist (also die Unmöglichkeit nur vorübergehend), bleibt der Vertrag aufrecht, aber der Vertragsschuldner ist nicht verpflichtet einen entsprechenden Schadenersatz für die Verspätung in der Erfüllung zu zahlen. Der Vertrag muss dann erfüllt werden, wenn die Erbringung der Leistung möglich wird.
Sehen die Dekrete der Regierung irgendwelche Maßnahmen für unmöglich gewordene Leistungen vor – Beförderungs- und Transportverträge und Reisebuchungen
Grundsätzlich gilt diesbezüglich zu erwähnen, dass die von der Regierung erlassenen Dekrete keine Regelung hinsichtlich des Schicksals von bereits eingegangenen Verträgen enthält, weshalb auf die vorgenannten allgemeinen Bestimmungen Bezug zu nehmen ist. Dies mit einer Ausnahme: das Gesetzesdekret vom 02.03.2020, bzw. das Gesetzesdekret vom 18.03.2020, regelt die Vorgehensweise für bereits geschlossene Transport- und Beförderungsverträge, bzw. Reisebuchungen, die nun nicht mehr genutzt werden können. Unter anderem wird darin bestimmt, dass der Kunde dem Anbieter die Mitteilung zukommen lassen kann, dass die gebuchte Leistung nicht genutzt werden kann. Der Anbieter wiederum ist daraufhin verpflichtet, innerhalb von 15 Tagen ab genannter Mitteilung des Kunden, diesem entweder den Kaufpreis für den Transport, Buchung, usw. zurückzuzahlen oder einen entsprechenden Gutschein auszustellen, der mindestens ein Jahr Gültigkeit haben muss.
Was ist für Verträge deren Erfüllung zwar nicht unmöglich aber unangemessen geworden ist?
Hierzu seien zwei Beispiele erwähnt:
Was ist mit einer Reise, die schon gebucht ist, aber erst für einen Zeitraum, in welchem die Bewegungsbegrenzungen nicht mehr gelten?
Was ist mit dem Brautpaar, welches eine Hochzeit geplant hat, und einen entsprechenden Catering-Vertrag für den Tag der Hochzeit abgeschlossen hat, diesen Termin nun aber verschieben will?
Wie bereits erwähnt, werden die vorstehend aufgezählten (und die unzähligen ähnlichen) Fälle nicht explizit von den von der Regierung erlassenen Bestimmungen, oder allegemeinen Bestimmungen des Zivilgesetzbuches, geregelt.
In beiden Fällen könnte, mit Bezug auf das (nicht kodifizierte) Rechtsinstitut der „presupposizione“, darauf verwiesen werden, dass eine Vertragserfüllung nicht dem damaligen vertraglichen Interesse entsprochen hat (in Beispiel 1 ist die Reise zwar gestattet, aber der/die Reisende kann fundierte Bedenken haben, die Reise anzutreten (beispielsweise in ein Land mit aufgetretenen Erkrankungsfällen), in Beispiel 2 könnten Menschenansammlungen zwar grundsätzlich erlaubt sein, aber die Brautleute kein Interesse am festgelegten Termin haben, da viele Gäste nicht kommen würden, krank oder in Isolation sind, usw.).
In diesen Fällen wäre es mit Verweis auf eingangs genanntes Rechtsinstitut durchaus vorstellbar, dass der entsprechende Vertrag aufgelöst werden könnte. Auf alle Fälle ist es im Vorfeld sicher hilfreich an die Kulanz der anderen Vertragspartei zu appellieren.
Was ist für Verträge deren Leistung zwar nicht unmöglich aber übermäßig belastend geworden ist?
Auch diesbezüglich enthalten die kürzlich erlassenen Dekrete keine Regelung, weshalb auf die allgemein gültigen Rechtsgrundsätze des ZGB zurückzugreifen ist. Art. 1467 ZGB sieht diesbezüglich vor: „Bei Verträgen, die auf dauernde oder regelmäßig wiederkehrende oder auf hinausgeschobene Durchführung gerichtet sind und bei denen die Leistung einer der Parteien auf Grund des Eintritts außergewöhnlicher und unvorhersehbarer Ereignisse übermäßig belastend geworden ist, kann die Partei, die eine solche Leistung schuldet, die Aufhebung des Vertrags mit den in Artikel 1458 festgesetzten Wirkungen verlangen. Die Aufhebung kann nicht verlangt werden, wenn die nachträgliche Belastung im Rahmen des durchschnittlichen Vertragsrisikos liegt. Die Partei, der gegenüber die Aufhebung verlangt wird, kann diese abwenden, indem sie eine billige Änderung der Vertragsbedingungen anbietet“.
Vorausschickend sei erwähnt, dass die genannte Regelung nur für dauernde oder periodische Leistungen (z.B. Mietverträge oder Lieferverträge für Strom, Telefon, usw.) oder zeitlich später durchzuführende Leistungen gilt.
Ebenso muss es sich um eine bedeutende Erschwerung der eigenen Leistung handeln, welche der entsprechenden Partei ein weit höheres „Opfer“ abverlangt, als dieses im gewöhnlichen Vertragsrisiko liegt. Um ein aktuelles Beispiel anzuführen, könnte der Fall des Lieferanten von Desinfektionsmitteln genannt werden, der nun das Produkt nicht mehr zu den vertraglich geregelten Preisen liefern kann, da die Produktionskosten aufgrund des eingetretenen Mangels an Rohstoffen enorm gestiegen sind.